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Autor Thema: Vorweihnacht  (Gelesen 6618 mal)

Offline vreni

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Vorweihnacht
« am: Dezember 03, 2004, 14:18 »
 

vielleicht mag das ja jemand - ich stelle euch  ab und zu eine Geschicht da hinein - zum Nachdenken, ein Unterbruch in der Weihnachtshektik und sonst einfach ignorieren

Der kleine Baumwollfaden

Es war einmal ein kleiner Baumwollfaden, der war mit sich und der Welt unzufrieden. Er hatte Angst, daß es mit ihm einfach zu nichts reicht, so wie er war:
"Für ein Schiffstau bin ich viel zu schwach", sagte er sich, "und für einen Pullover zu kurz; - um an andere anzuknüpfen - dazu habe ich zu viele Hemmungen. Für eine Stickerei eigne ich mich auch nicht, denn dazu bin ich zu blaß und farblos. - Ja, wenn ich aus Lurex wäre, dann könnte ich eine Stola verzieren oder ein Kleid. Aber so? - Es reicht einfach zu nichts! Was kann ich schon? Niemand braucht mich. Niemand mag mich. Und ich mag mich selbst am allerwenigsten." So sprach der kleine Baumwollfaden und dann legte er traurige Musik auf und fühlte sich ganz niedergeschlagen in seinem Selbstmitleid.

Da klopfte ein Klümpchen Wachs an seine Türe und sagte: "Lass dich doch nicht so hängen, Baumwollfaden. Ich weiss etwas. Ich habe da eine Idee: wir beide tun uns zusammen! Für eine lange Osterkerze bist du zwar als Docht zu kurz, und ich habe dafür nicht genug Wachs. Aber für ein Teelicht reicht es allemal! Das wärmt und macht ein bißchen heller. - Es ist besser, ein kleines Licht anzuzünden als immer nur im Dunkeln zu sitzen, zu schimpfen und zu jammern." 

Da war der Baumwollfaden ganz glücklich, tat sich mit dem Klümpchen Wachs zusammen und sagte: "Nun hat mein Dasein doch einen Sinn bekommen!"

Und wer weiss, vielleicht gibt es in der Welt noch mehr kurze Baumwollfäden und kleine Wachsklümpchen, die sich zusammentun, ein kleines Licht anzünden und leuchten.


Verfasser unbekannt

Offline Joerg Moeller

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Re: Vorweihnacht
« Antwort #1 am: Dezember 03, 2004, 19:43 »
Ja bitte, mach das. Ich mag das - ebenso wie deine Bildchen - und finde, daß das dem Forum ein bißchen mehr Wärme gibt :ja:
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Offline vreni

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Re: Vorweihnacht
« Antwort #2 am: Dezember 03, 2004, 19:55 »
ich finde halt, dass es uns allen fehlt, ob wirs merken oder nicht.

Offline Joerg Moeller

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Re: Vorweihnacht
« Antwort #3 am: Dezember 03, 2004, 20:12 »
ich finde halt, dass es uns allen fehlt, ob wirs merken oder nicht.

Ja, aber die, die es merken sind schon einen Schritt weiter.

Ich hab da auch noch eine schöne Gesichte auf Lager, die bringe ich demnächst auch mal :ja:
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Offline Ludwig

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Re: Vorweihnacht
« Antwort #4 am: Dezember 04, 2004, 10:15 »


vielleicht mag das ja jemand - ich stelle euch  ab und zu eine Geschicht da hinein - zum Nachdenken, ein Unterbruch in der Weihnachtshektik und sonst einfach ignorieren

 


Das ist eine wunderbare Idee!  :kuss:
Danke Vreni!  :engel2:
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Als ich ein Bursche von 14 war, verhielt sich mein Vater so überheblich, daß ich es kaum aushalten konnte, mit ihm zusammen zu sein. Als ich 21 wurde, war ich doch erstaunt, was der alte Mann in sieben Jahren dazugelernt hatte! M. Twain

Offline Angela

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Re: Vorweihnacht
« Antwort #5 am: Dezember 04, 2004, 14:42 »
was wäre mit Weihnachtssmylies Jörg? Hast ja für Helloween (wie schreibt man das eigentlich?  :gruebeln:) auch gemacht.
**************
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Offline Joerg Moeller

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Re: Vorweihnacht
« Antwort #6 am: Dezember 04, 2004, 16:06 »
was wäre mit Weihnachtssmylies Jörg? Hast ja für Helloween (wie schreibt man das eigentlich?  :gruebeln:) auch gemacht.

Gut daß du mich daran erinnerst (was wäre das für ein Forum ohne dich  :zwinker: )
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Offline vreni

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Re: Vorweihnacht
« Antwort #7 am: Dezember 05, 2004, 10:13 »
 


Der allererste Weihnachtsbaum
Hermann Löns (1866-1914)


Der Weihnachtsmann ging durch den Wald. Er war ärgerlich. Sein weißer Spitz, der sonst immer lustig bellend vor ihm herlief, merkte das und schlich hinter seinem Herrn mit eingezogener Rute her.

Er hatte nämlich nicht mehr die rechte Freude an seiner Tätigkeit. Es war alle Jahre dasselbe. Es war kein Schwung in der Sache. Spielzeug und Eßwaren, das war auf die Dauer nichts. Die Kinder freuten sich wohl darüber, aber quieken sollten sie und jubeln und singen, so wollte er es, das taten sie aber nur selten.

Den ganzen Dezembermonat hatte der Weihnachtsmann schon darüber nachgegrübelt, was er wohl Neues erfinden könne, um einmal wieder eine rechte Weihnachtsfreude in die Kinderwelt zu bringen, eine Weihnachtsfreude, an der auch die Großen teilnehmen würden. Kostbarkeiten durften es auch nicht sein, denn er hatte soundsoviel auszugeben und mehr nicht.

So stapfte er denn auch durch den verschneiten Wald, bis er auf dem Kreuzweg war. Dort wollte er das Christkindchen treffen. Mit dem beriet er sich nämlich immer über die Verteilung der Gaben. Schon von weitem sah er, daß das Christkindchen da war, denn ein heller Schein war dort.

Das Christkindchen hatte ein langes weißes Pelzkleidchen an und lachte über das ganze Gesicht. Denn um es herum lagen große Bündel Kleeheu und Bohnenstiegen und Espen- und Weidenzweige, und daran taten sich die hungrigen Hirsche und Rehe und Hasen gütlich. Sogar für die Sauen gab es etwas: Kastanien, Eicheln und Rüben.

Der Weihnachtsmann nahm seinen Wolkenschieber ab und bot dem Christkindchen die Tageszeit. "Na, Alterchen, wie geht's?" fragte das Christkind. "Hast wohl schlechte Laune?" Damit hakte es den Alten unter und ging mit ihm. Hinter ihnen trabte der kleine Spitz, aber er sah gar nicht mehr betrübt aus und hielt seinen Schwanz kühn in die Luft.

"Ja", sagte der Weihnachtsmann, "die ganze Sache macht mir so recht keinen Spaß mehr. Liegt es am Alter oder an sonst was, ich weiß nicht. Das mit den Pfefferkuchen und den Äpfeln und Nüssen, das ist nichts mehr. Das essen sie auf, und dann ist das Fest vorbei. Man müßte etwas Neues erfinden, etwas, das nicht zum Essen und nicht zum Spielen ist, aber wobei alt und jung singt und lacht und fröhlich wird."

Das Christkindchen nickte und machte ein nachdenkliches Gesicht; dann sagte es: "Da hast du recht, Alter, mir ist das auch schon aufgefallen. Ich habe daran auch schon gedacht, aber das ist nicht so leicht."

"Das ist es ja gerade", knurrte der Weihnachtsmann, "ich bin zu alt und zu dumm dazu.

Ich habe schon richtiges Kopfweh vom vielen Nachdenken, und es fällt mir doch nichts Vernünftiges ein. Wenn es so weitergeht, schläft allmählich die ganze Sache ein, und es wird ein Fest wie alle anderen, von dem die Menschen dann weiter nichts haben als Faulenzen, Essen und Trinken."

Nachdenklich gingen beide durch den weißen Winterwald, der Weihnachtsmann mit brummigem, das Christkindchen mit nachdenklichem Gesicht.

Es war so still im Wald, kein Zweig rührte sich, nur wenn die Eule sich auf einen Ast setzte, fiel ein Stück Schneebehang mit halblautem Ton herab. So kamen die beiden, den Spitz hinter sich, aus dem hohen Holz auf einen alten Kahlschlag, auf dem große und kleine Tannen standen. Das sah wunderschön aus. Der Mond schien hell und klar, alle Sterne leuchteten, der Schnee sah aus wie Silber, und die Tannen standen darin, schwarz und weiß, daß es eine Pracht war.

Eine fünf Fuß hohe Tanne, die allein im Vordergrund stand, sah besonders reizend aus. Sie war regelmäßig gewachsen, hatte auf jedem Zweig einen Schneestreifen, an den Zweigspitzen kleine Eiszapfen, und glitzerte und flimmerte nur so im Mondenschein.

Das Christkindchen ließ den Arm des Weihnachtsmannes los, stieß den Alten an, zeigte auf die Tanne und sagte: "Ist das nicht wunderhübsch?"

"Ja", sagte der Alte, "aber was hilft mir das ?"

"Gib ein paar Äpfel her", sagte das Christkindchen, "ich habe einen Gedanken."

Der Weihnachtsmann machte ein dummes Gesicht, denn er konnte es sich nicht recht vorstellen, daß das Christkind bei der Kälte Appetit auf die eiskalten Äpfel hatte. Er hatte zwar noch einen guten alten Schnaps, aber den mochte er dem Christkindchen nicht anbieten.

Er machte sein Tragband ab, stellte seine riesige Kiepe in den Schnee, kramte darin herum und langte ein paar recht schöne Äpfel heraus. Dann faßte er in die Tasche, holte sein Messer heraus, wetzte es an einem Buchenstamm und reichte es dem Christkindchen.

"Sieh, wie schlau du bist", sagte das Christkindchen. "Nun schneid mal etwas Bindfaden in zwei Finger lange Stücke, und mach mir kleine Pflöckchen."

Dem Alten kam das alles etwas ulkig vor, aber er sagte nichts und tat, was das Christkind ihm sagte. Als er die Bindfadenenden und die Pflöckchen fertig hatte, nahm das Christkind einen Apfel, steckte ein Pflöckchen hinein, band den Faden daran und hängte den an einen Ast.

"So", sagte es dann, "nun müssen auch an die anderen welche, und dabei kannst du helfen, aber vorsichtig, daß kein Schnee abfällt!"

Der Alte half, obgleich er nicht wußte, warum. Aber es machte ihm schließlich Spaß, und als die ganze kleine Tanne voll von rotbäckigen Äpfeln hing, da trat er fünf Schritte zurück, lachte und sagte; "Kiek, wie niedlich das aussieht! Aber was hat das alles für'n Zweck?"

"Braucht denn alles gleich einen Zweck zu haben?" lachte das Christkind. "Paß auf, das wird noch schöner. Nun gib mal Nüsse her!"

Der Alte krabbelte aus seiner Kiepe Walnüsse heraus und gab sie dem Christkindchen.

Das steckte in jedes ein Hölzchen, machte einen Faden daran, rieb immer eine Nuß an der goldenen Oberseite seiner Flügel, dann war die Nuß golden, und die nächste an der silbernen Unterseite seiner Flügel, dann hatte es eine silberne Nuß und hängte sie zwischen die Äpfel.

"Was sagst nun, Alterchen?" fragte es dann. "Ist das nicht allerliebst?"

"Ja", sagte der, "aber ich weiß immer noch nicht..."

"Komm schon!" lachte das Christkindchen. "Hast du Lichter?"

"Lichter nicht", meinte der Weihnachtsmann, "aber 'nen Wachsstock!"

"Das ist fein", sagte das Christkind, nahm den Wachsstock, zerschnitt ihn und drehte erst ein Stück um den Mitteltrieb des Bäumchens und die anderen Stücke um die Zweigenden, bog sie hübsch gerade und sagte dann; "Feuerzeug hast du doch?"

"Gewiß", sagte der Alte, holte Stein, Stahl und Schwammdose heraus, pinkte Feuer aus dem Stein, ließ den Zunder in der Schwammdose zum Glimmen kommen und steckte daran ein paar Schwefelspäne an. Die gab er dem Christkindchen. Das nahm einen hellbrennenden Schwefelspan und steckte damit erst das oberste Licht an, dann das nächste davon rechts, dann das gegenüberliegende.

Und rund um das Bäumchen gehend, brachte es so ein Licht nach dem andern zum Brennen.

Da stand nun das Bäumchen im Schnee; aus seinem halbverschneiten, dunklen Gezweig sahen die roten Backen der Äpfel, die Gold- und Silbernüsse blitzten und funkelten, und die gelben Wachskerzen brannten feierlich.

Das Christkindchen lachte über das ganze rosige Gesicht und patschte in die Hände, der alte Weihnachtsmann sah gar nicht mehr so brummig aus, und der kleine Spitz sprang hin und her und bellte.

Als die Lichter ein wenig heruntergebrannt waren, wehte das Christkindchen mit seinen goldsilbernen Flügeln, und da gingen die Lichter aus. Es sagte dem Weihnachtsmann, er solle das Bäumchen vorsichtig absägen. Das tat der, und dann gingen beide den Berg hinab und nahmen das bunte Bäumchen mit.

Als sie in den Ort kamen, schlief schon alles.

Beim kleinsten Hause machten die beiden halt. Das Christkindchen machte leise die Tür auf und trat ein; der Weihnachtsmann ging hinterher. In der Stube stand ein dreibeiniger Schemel mit einer durchlochten Platte. Den stellten sie auf den Tisch und steckten den Baum hinein.

Der Weihnachtsmann legte dann noch allerlei schöne Dinge, Spielzeug, Kuchen, Äpfel und Nüsse unter den Baum, und dann verließen beide das Haus so leise, wie sie es betreten hatten. Als der Mann, dem das Häuschen gehörte, am andern Morgen erwachte und den bunten Baum sah, da staunte er und wußte nicht, was er dazu sagen sollte.

Als er aber an dem Türpfosten, den des Christkinds Flügel gestreift hatte, Gold- und Silberflimmer hängen sah, da wußte er Bescheid. Er steckte die Lichter an dem Bäumchen an und weckte Frau und Kinder. Das war eine Freude in dem kleinen Haus wie an keinem Weihnachtstag.

Keines von den Kindern sah nach dem Spielzeug, nach dem Kuchen und den Äpfeln, sie sahen nur alle nach dem Lichterbaum. Sie faßten sich an den Händen, tanzten um den Baum und sangen alle Weihnachtslieder, die sie wußten, und selbst das Kleinste, das noch auf dem Arm getragen wurde, krähte, was es krähen konnte.

Als es hellichter Tag geworden war, da kamen die Freunde und Verwandten des Bergmanns, sahen sich das Bäumchen an, freuten sich darüber und gingen gleich in den Wald, um sich für ihre Kinder auch ein Weihnachtsbäumchen zu holen. Die anderen Leute, die das sahen, machten es nach, jeder holte sich einen Tannenbaum und putzte ihn an, der eine so, der andere so, aber Lichter, Äpfel und Nüsse hängten sie alle daran.

Als es dann Abend wurde, brannte im ganzen Dorf Haus bei Haus ein Weihnachtsbaum, überall hörte man Weihnachtslieder und das Jubeln und Lachen der Kinder.

Von da aus ist der Weihnachtsbaum über ganz Deutschland gewandert und von da über die ganze Erde.

Weil aber der erste Weihnachtsbaum am Morgen brannte, so wird in manchen Gegenden den Kindern morgens beschert.

 ;)

Offline Angela

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Re: Vorweihnacht
« Antwort #8 am: Dezember 05, 2004, 12:55 »
Gut daß du mich daran erinnerst (was wäre das für ein Forum ohne dich  :zwinker: )
;D
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Re: Vorweihnacht
« Antwort #9 am: Dezember 05, 2004, 15:47 »
Märchen
vom Auszug aller "Ausländer"
von Helmut Wöllenstein

Es war einmal, etwa drei Tage vor Weihnachten, spät abends. Über dem Marktplatz der kleinen Stadt kamen ein paar Männer gezogen. Sie blieben an der Kirche stehen und sprühten auf die Mauer die Worte "Ausländer raus" und "Deutschland den Deutschen". Steine flogen in das Fenster des türkischen Ladens gegenüber der Kirche. Dann zog die Horde ab. Gespenstische Ruhe. Die Gardinen an den Fenstern der Bürgerhäuser waren schnell wieder zugefallen. Niemand hatte etwas -gesehen.

"Los kommt, wir gehen." "Wo denkst Du hin! Was sollen wir denn da unten im Süden?" "Da unten? Da ist doch immerhin unsere Heimat. Hier wird es schlimmer. Wir tun, was an der Wand steht: ´Ausländer raus´ !"

Tatsächlich: Mitten in der Nacht kam Bewegung in die kleine Stadt. Die Türen der Geschäfte sprangen auf. Zuerst kamen die Kakaopäckchen, die Schokoladen und Pralinen in ihrer Weihnachtsverkleidung. Sie wollten nach Ghana und Westafrika, denn da waren sie zu Hause. Dann der Kaffee, palettenweise, der Deutschen Lieblingsgetränk: Uganda, Kenia und Lateinamerika waren seine Heimat.

Ananas und Bananen räumten ihre Kisten, auch die Trauben und Erdbeeren aus Südafrika. Fast alle Weihnachtsleckereien brachen auf. Pfeffernüsse, Spekulatius und Zimtsterne, die Gewürze aus ihrem Inneren zog es nach Indien. Der Dresdner Christstollen zögerte. Man sah Tränen in seinen Rosinenaugen, als er zugab: Mischlingen wie mir geht´s besonders an den Kragen. Mit ihm kamen das Lübecker Marzipan und der Nürnberger Lebkuchen.

Nicht Qualität, nur Herkunft zählte jetzt. Es war schon in der Morgendämmerung, als die Schnittblumen nach Kolumbien aufbrachen und die Pelzmäntel mit Gold und Edelsteinen in teuren Chartermaschinen in alle Welt starteten. Der Verkehr brach an diesem Tag zusammen ... Lange Schlangen japanischer Autos, vollgestopft mit Optik und Unterhaltungselektronik, krochen gen Osten. Am Himmel sah man die Weihnachtsgänse nach Polen fliegen, auf ihrer Bahn gefolgt von den Seidenhemden und den Teppichen des fernen Asiens.

Mit Krachen lösten sich die tropischen Hölzer aus den Fensterrahmen und schwirrten ins Amazonasbecken. Man musste sich vorsehen, um nicht auszurutschen, denn von überall her quoll Öl und Benzin hervor, floss in Rinnsalen und Bächen zusammen in Richtung Naher Osten. Aber man hatte ja Vorsorge getroffen.

Stolz holten die deutschen Autofirmen ihre Krisenpläne aus den Schubladen: Der Holzvergaser war ganz neu aufgelegt worden. Wozu ausländisches Öl?! - Aber die VW´s und BMW´s begannen sich aufzulösen in ihre Einzelteile, das Aluminium wanderte nach Jamaika, das Kupfer nach Somalia, ein Drittel der Eisenteile nach Brasilien, der Naturkautschuk nach Zaire. Und die Straßendecke hatte mit dem ausländischen Asphalt auch immer ein besseres Bild abgegeben als heute.

Nach drei Tagen war der Spuk vorbei, der Auszug geschafft, gerade rechtzeitig zum Weihnachtsfest. Nichts Ausländisches war mehr im Land. Aber Tannenbäume gab es noch, auch Äpfel und Nüsse. Und die "Stille Nacht" durfte gesungen werden - Allerdings nur mit Extragenehmigung, das Lied kam immerhin aus Österreich!
 ;)