Autor Thema: Apridra und Apoptose  (Gelesen 7568 mal)

Offline Jo

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Apridra und Apoptose
« am: März 08, 2005, 11:03 »
Hallo, Ihr Lieben,

durch einen Beitrag in der NG dsmd bin ich etwas verunsichert worden:

Ich spritze seit einigen Wochen das Analoginsulin Apridra, und meine Werte sind seitdem "super" (außer den morgendlichen Nüchternwerte, aber da arbeiten meine Diabetologin und ich dran).

Nun las ich in der NG, dass Apridra wohl in Verdacht stehe, Apoprose auszulösen, was wiederum Krebs auslösen könne.

Weiss jemand von Euch etwas Genaueres darüber? Wie gehen diejenigen von Euch, die auch Apidra spritzen, mit diesem Restrisko um? Wie gesagt, ich bin jetzt leicht (?) verunsichert.

Liebe Grüße

Jo

« Letzte Änderung: März 08, 2005, 13:13 von Jo »

Offline Joerg Moeller

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Re: Apridra und Apoprose
« Antwort #1 am: März 08, 2005, 12:45 »
Nun las ich in der NG, dass Apridra wohl in Verdacht stehe, Apoprose auszulösen, was wiederum Krebs auslösen könne.

Du meinst Apoptose. Da ist es zunächst mal wichtig zu wissen was das ist: Unsere Körperzellen sind ja nicht unsterblich. Die haben quasi ein Ablaufdatum, und wenn das erreicht ist, dann werden Mechanismen in Gang gesetzt, die die Zelle absterben lassen. Ist auch kein Problem, weil die bis zu einem gewissen Lebensalter durch 'Nachkommen' ersetzt werden.
Diese Mechanismen setzen auch dann ein, wenn mit der Zelle etwas nicht stimmt, sie also so defekt ist, daß es nicht mehr repariert werden kann. Würde sie sich dann normal teilen, dann wäre der 'Nachkomme' ja von Anfang an defekt. Und solche defekten Zellen sind eben Krebs.
Also verhindern diese Mechanismen auch, daß Krebs entstehen kann.
Etwas ausführlicher aber ganz gut verständlich wird das hier erklärt: http://www.ukammann.de/apoptose/

Würde jetzt dieser Mechanismus geblockt, dann könnte eine kaputte Zelle nicht absterben (wie es von der Natur vorgesehen ist) und somit könnte ein Krebs entstehen.

Genaue Ergebnisse liegen da noch nicht vor. Glulisin (Apidra) hemmt diesen Mechanismus zwar, aber es liegen auch Studien vor, nach denen ein zu hoher BZ diesen Mechanismus hemmt. (http://findarticles.com/p/articles/mi_m0922/is_2_54/ai_n9487499)

Da müßte man jetzt fragen, was mehr wiegt. Bei neuen Medikamenten besteht immer ein gewisses Restrisiko. Der Arzt muß daher abschätzen zwischen Risiko und Nutzen.

Darüber hinaus gibt es auch eine Studie vom Deutschen Diabetes Forschungsinstitut, nachdem diese Hemmung der Apoptose offenbar gezielt einen Vorteil bei Typ 2 erbringt, weil es die restlichen Betzellen schützt. (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?cmd=Retrieve&db=pubmed&dopt=Abstract&list_uids=14550282)


Ich bin auch der Meinung, daß man nicht unbedingt ein Medikament wählen muß, nur weil es jetzt neu/hip/modern/was-auch-immer ist. Wenn jemand mit NPH-Insulin und Normalinsulin zu den Mahlzeiten gut einstellbar ist, dann würde ich dazu raten, denn das sind langbewährte Mittel.

Wenn aber für jemanden die speziellen Vorteile eines neuen Medikaments wichtig sind, dann sollte er das wählen und dafür das Restrisiko in Kauf nehmen.
Und aus genau diesem Grund nehme ich in der Pumpe das Analogon 'Humalog' statt Normalinsulin, weil mir die schnellere und kürzere Wirkung von Humalog (die ich selber bei mir beobachten konnte) wichtig genug ist, um ein eventuelles Restrisiko in Kauf zu nehmen.

Ich gehe auch über eine Straße, atme die Luft der Großstadt ein und kaufe meine Lebensmittel nicht ausschließlich beim Bio-Bauern. Auch da gehe ich ein Restrisiko ein.
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Offline Jo

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Re: Apridra und Apoprose
« Antwort #2 am: März 08, 2005, 13:17 »
Hallo, Jörg,

ich habe das Wort im Titel mal geändert, damit andere beim Suchen auch was finden... Danke für die Hinweise, die LInks schaue ich mir nachher mal an.

Was mich etwas "sauer" macht, ist die Tatsache, dass meine ansonsten sehr gute Diabetologin mir von diesem Restrisiko NICHTS gesagt hat. Ich würde das nämlich gerne selbst entscheiden. Sie hat lediglich vorgeschlagen, das Normalinsulin durch Apidra zu ersetzen, weil ich mit dem Normalinsulin meine Spitzenwerte nach dem Essen nicht gut in den Griff bekam.

Nochmal danke für die ausführlichen Hinweise, mir ist das jetzt viel klarer.

Schönen Gruss,

Jo

Offline Joerg Moeller

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Re: Apridra und Apoprose
« Antwort #3 am: März 08, 2005, 16:41 »
Was mich etwas "sauer" macht, ist die Tatsache, dass meine ansonsten sehr gute Diabetologin mir von diesem Restrisiko NICHTS gesagt hat.

Hat sie dich denn über das Risiko aufgeklärt, daß du beim Abholen des Rezeptes auf den Stufen der Apotheke ausrutschen und dir die Hüfte brechen könntest :zwinker:

Die mathematische Wahrscheinlichkeit, daß dieser Fall eintritt, ist nämlich wesentlich höher. Immerhin gibt es schon genug Fälle aus der Praxis, bei denen genau das passiert ist (Im Gegensatz zu den 0% an Fällen von Krebs durch Apidra)
Du solltest dich von irgendwelchen Gerüchten nicht einschüchtern lassen. Wenn wir ständig das Neue vermieden hätten, weil wir potentielle Risiken fürchten, dann würden wir immer noch in Höhlen sitzen oder Mammuts jagen :zwinker:
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Offline Angela

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Re: Apridra und Apoptose
« Antwort #4 am: März 08, 2005, 17:35 »
Jo, ich würde etwas vorsichtig sein was man in der NG ließt. Da ist vieles dabei was ned stimmt. Das ist das was ich daran so verurteile, sie machen durch ihre Aussagen die Leute total unsicher. So wie es eben jetzt dir geht. Das haben wir dort ja schon oft erlebt. Deswegen nehme ich dort sehr wenig ernst. Klar einfach ignorieren sollte man es nicht, aber dort wird sehr viel übertrieben.
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Offline Joerg Moeller

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Re: Apridra und Apoptose
« Antwort #5 am: März 10, 2005, 14:04 »
Deswegen nehme ich dort sehr wenig ernst. Klar einfach ignorieren sollte man es nicht, aber dort wird sehr viel übertrieben.

Ich finde es schon ganz okay, wenn du da vieles nicht so ernst nimmst. Mnachmal wird eben nur über bestimmte Aspekte gesprochen. (Apoptosehemmung bei Apidra oder höhere IGF-1 Affinität bei den meisten Analoga)
Wenn man sich sonst nur wenig mit diesen Hintergründen beschäftigt klingt das sicher manchmal ganz schön grauslich, ist es aber selten. Man könnte ebenso auch darüber sprechen, daß man auf einer Insulin-Pfütze ausrutschen und sich die Hüfte brechen könnte. Zumindest kommt das der Wahrscheinlichkeit nach den anderen beiden Dingen ziemlich nahe.

Nicht selten sind diese Wahrscheinlichkeiten eher mathematischer Natur. Nehmen wir mal diese IGF-1 Geschichte: IGF-1 (=Insulin-like Growth-Faktor 1 = Insulinähnlicher Wachstumsfaktor 1) ist ein Stoff, der das Wachstum von Zellen beschleunigt. Damit der wirken kann muß er erst an Zellen andocken, an den 'Rezeptoren'. Und weil er eben Insulinähnlich ist kann auch normales Insulin an diesen Rezeptoren andocken. Aber nicht jedes Insulinmolekül tut das auch.

Jetzt hat man festgestellt, daß bestimmte Analoga eine höhere Affinität zu diesem Rezeptor haben. Das bedeutet, daß sie besser darauf passen und daß z.B. von 1000 Analogamolekülen mehr an diesem IGF-1 Rezeptor andocken als von 1000 Normalinsulinmolekülen.

Aber nochmals: Dieser Rezeptor ist ja nicht für Insulin/Analoga gedacht, sondern für IGF-1 selber in seiner reinen Form.
Und deshalb ist es auch nicht verwunderlich wenn man weiß, daß die Affinität (="Neigung zu") von reinem IGF-1 800-1000 mal höher ist als von Insulin. Und somit auch wesentlich höher als von Analoga.

Als man seinerzeit Lantus untersucht hat konnte man im Reagenzglas (=in vitro) feststellen, daß Lantus das Zellwachstum bestimmter Tumorzellen beschleunigt hat.
Aber: Man hat dabei eine ganz bestimmte Gruppe von Zellen untersucht, bei denen auch normales, vom Körper eines Menschen produziertes Insulin eine Wachstumsbeschleunigung bewirkt.

Wenn jetzt jemand ohne dieses Hintergrundwissen die Schlagzeile "Lantus beschleunigt Tumorwachstum" liest, dann kann das schon erschrecken.

Für mich ist das nichts weiter als die Schlagzeile "Leitungswasser führt zum Tode". (Immerhin haben nahezu 100% aller Verstorbenen in ihrem Leben Leitungswasser konsumiert)

Was aber leider gelegentlich in der NG vorkommt: Es werden Teil-Aussagen aus wissenschaftlichen Studien zitiert, ohne die Umstände dieser Studie (=das Studiendesign) vorzustellen.

Ich kann ohne weiteres eine Studie machen die belegt, daß 99,9% als Schüler Nichtraucher sind. (Das ich diese Studie in einer Vorschule mit 5-6 jährigen mache kann ich dann j für mich behalten).

Dann gab es vor einiger Zeit mal die Meldung, daß es bei Umstellung auf Lantus vermehrt zu Problemen mit der Netzhaut kam. Ich habe damals schon vermutet, daß es weniger am Lantus lag als vielmehr an den Ärzten, die die Umstellung vornahmen. Wenn man eine desolate BZ-Einstellung verbessern will, dann sollte man erstens vorher mal die Netzhaut untersuchen und zweitens sollte die Absenkung des BZs langsam erfolgen.
Neulich war ich auf einem Symposium, bei der ein renomierter Berliner Diabetologe die gleiche Ansicht vertrat!

Also: lasst euch von Meldungen in der NG oder in irgendeinem Forum (auch diesem hier!) nicht verunsichern. Nehmt die Begriffe und googelt danach und/oder fragt einen Arzt eures Vertrauens.
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Offline reschmieba

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Re: Apridra und Apoptose
« Antwort #6 am: März 10, 2005, 15:51 »
Hi Jörg,

der Name des rennomierten Diabetologen würde mich interessieren....

Dank & Gruß,
reschmieba


Offline Joerg Moeller

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Re: Apridra und Apoptose
« Antwort #7 am: März 12, 2005, 12:40 »
der Name des rennomierten Diabetologen würde mich interessieren....

Das war Dr. Klaus-Jürgen Ruhnau. Seine Praxis: Treskowallee 128, 10318 Berlin, 030-5090090
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