Autor Thema: Basalratenreduktion beim Wintersport  (Gelesen 8191 mal)

Offline zaqueline

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Basalratenreduktion beim Wintersport
« am: Februar 09, 2009, 14:17 »
Hallo zusammen !  :hilfe:

Da ich ja prinzipiell noch recht neu bin auf dem Gebiet des Diabetes und vor allem bei der Basalratenanpassung beim Sport,
möchte ich mal nach euren Erfahrungen fragen.
Ich werde in 3 Wochen, also Anfang März, für eine Woche in den Winterurlaub starten (endlich !).
Frage: Wie beginnt man denn mit der Basalratenreduzierung und ist sie wirklich sinnvoll ?

Beispiel:
Am Samstag Ankunft bei Anreise im Auto (aus dem Norden Deutschlands nach Österreich).
Heisst: viel sitzen!   :(
Sonntag geht es das erste Mal auf die Piste zum Snowboarden.
Vor meinem Diabetes bin ich normalerweise immer von ca. 9:00 Uhr morgens bis nachmittags 16:00 Uhr im Schnee unterwegs gewesen,
mit einer Stunde Mittagspause.
Wie gehe ich jetzt damit um ?
Habt ihr Tipps, wie ich es mit der Basalratenreduzierung handhaben kann ?
Ich spritze derzeit 15 IE Lantus abends um 22:00 Uhr.
Kann man die dann schon Samstag beginnen oder erst nach dem ersten Skitag ?
Und vor allem um wie viele Einheiten ?

Bei meinen normalen Sporteinheiten in der Woche (Joggen, Fitness, Schwimmen) reduziere ich höchstens den Bolus und esse meine Sports-BEs.
Das funktioniert super.
Aber bei 6 Tagen Langzeit-Belastung bin ich mir doch etwas unsicher, vor allem, weil man immer wieder von der BR-Reduzierung liest.

Vielen Dank schon einmal für eure Beiträge, Tipps und Anregungen.

Lieben Gruß an alle,

zaqueline
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Offline Andreas

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Re: Basalratenreduktion beim Wintersport
« Antwort #1 am: Februar 09, 2009, 16:48 »
Eins vorweg, auch wenn es keine Hilfe ist: Du musst Deinen Weg selbst herausfinden!

Ich hatte auch einmal Lantus und denke, dass es das ungeeignetste Basalinsulin bei einer sportlichen Lebensweise ist.
a) Ich benötigte bei Sportarten, die sich über den ganzen Tag erstrecken, eine deutliche Basalreduktion am Tag und eine geringe während der Nacht - mit Lantus unmöglich, da mit einer Injektion nicht hizubekommen (entweder passt es am Tag, dann fehlt's in der Nacht, oder es passt in der Nacht, dann habe ich zuviel Basalinsulin am Tag).
b) Lantus scheint (zumindest bei mir!) einen Art Depoteffekt zu bilden, das heißt, dass eine Reduktion für einen Tag auch noch zwei bis drei Tage danach nachzuwirken schien.
c) Die Resorbtion des Lantus aus dem Muskeln schien absolut bewegungsabhängig: An Tagen ohne Sport wirkte Lantus bei mir 24 Stunden lang, an Tagen mit Sport kam es nach ca. 20 Stunden zu einem deutlichen Blutzuckeranstieg, den ich an Tagen ohne Sport nicht beobachten konnte. Demgegenüber bin ich selbst bei starker Lantusreduktion (teilweise um 80%, z. B. von 16 IE auf 4IE) - nach einem deutlichen Anstieg in der Nacht vor dem Sport (den ich mit einer zusätzlichen Injektion um 4 Uhr nachts gesenkt habe)  - zu Beginn des Sports regelmäßig unterzuckert, was ich mir nur mit einer verstärkten Lantusresorbtion durch eine stärkere Durchblutung erklären kann.

Levemir scheint mir etwas geeigneter, da zumindest die Probleme b) und c) nicht auftraten.
Besonders geeignet für Sportler scheinen mir aber nach wie vor die herkömmlichen, nur ca. acht Stunden wirkenden NPH-Insuline (Protaphan o, ä,) zu sein, weil damit auch Problem a) aufgrund der zwei bis dreifachen Injektionen gelöst werden kann.

Aber was hilft Dir das?

Vielleicht ja meine Konsequenz, denn so ähnlich _könnte_ (Konjunktiv!) es auch bei Dir sein:
Ich habe beim Skifahren oder mehrtägigen Fahrradtouren am ersten Tag mein Levemir nicht reduziert und an den folgenden Tagen lediglich um 10-20%. Hintergrund: Ich habe Levemir also nur an den niedrigeren Basalbedarf in der Nacht angeglichen (um während des Schlafs weder zu unterzuckern noch einen zu korrigierenden Anstieg zu haben) und während des Skifahrens gegen den sinkenden Blutzucker angegessen. Insbesondere morgens benötigte ich besonders viele BEs (ca. 3 BE/Stunde), nachmittags deutlich weniger ... und den Bolus zum Abendessen habe ich sogar um 1-2 IE erhöht, um das durch den Sport aufgerissene Spätabendloch zu decken.

Aber wie gesagt: Lantus und intensiver Sprot passt nicht zusammen! Wenn es keine Pumpe sein soll oder kann, dann bist Du mit NPH-Insulinen oder zumindest Levemir besser dran.

Gruß, Andreas
Eine gute Diabetes-Therapie muss einfach sein.


Offline Joa

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Re: Basalratenreduktion beim Wintersport
« Antwort #2 am: Februar 09, 2009, 21:33 »
Hallo Andreas,

das hast Du gradezu druckreif aufgedröselt.  :super: :super: :super:

Gruß
Joa
Typ 1 seit 85;  Pumpe seit 1988; P 754/Apidra

Offline zaqueline

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Re: Basalratenreduktion beim Wintersport
« Antwort #3 am: Februar 10, 2009, 10:09 »
Hallo Andreas !

Zunächst einmal vielen Dank für die ausführliche Beschreibung deiner Erfahrungen.
Sicher ist mir bewußt, dass ich meinen Weg selber finden muss. Doch ich denke, dass jeder DM-Neuling froh über jedwede Unterstützung, bzw. Hilfestellung ist. Und das bin ich schon mal durch deine Beschreibung.
Ich werde mal mit meinem Diabetologen drüber sprechen, was er für mich am sinnvollsten erachtet.

Bisher fand ich das einmalige Spritzen von Lantus sehr positiv, da man nicht noch zusätzlich an die Injektionen am Tag denken musste, mal vom Bolus abgesehen.
Mein Arzt meinte einmal, dass man Lantus auch splitten könnte und im 12 h Abstand die Dosierung verteilt. !?!?
Hier könnte man vielleicht auch mit Einheiten variieren !?
Wie gesagt, ich spreche das mal an ... wobei ich euren Erfahrungen mehr Glauben schenke, als den Angaben meines Doc's.  :-\

Andreas, jetzt definiere bitte noch "INTENSIVER Sport" !
 ::)
Ich mache zwar regelmäßig Sport, aber als Intensiv würde ich das nicht unbedingt ansehen, aber das ist ja wie bei allen Dingen im Leben immer abhängig vom Betrachter. *grins*
Ich trainiere nicht gerade für den nächsten Berlin-Marathon... sondern bin eher für das Wohlbefinden unterwegs und um einen Ausgleich für die Schreibtischhockerei zu bekommen.

Viele Grüße,
zaqueline

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Offline Joerg Moeller

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Re: Basalratenreduktion beim Wintersport
« Antwort #4 am: Februar 10, 2009, 10:16 »
Mein Arzt meinte einmal, dass man Lantus auch splitten könnte und im 12 h Abstand die Dosierung verteilt. !?!?
Hier könnte man vielleicht auch mit Einheiten variieren !?

Ich denke das wird in deinem Fall auch nicht viel reißen.
1. 15 IE pro Tag sind nicht die Welt. Das deutet eh auf ein recht gutes Ansprechen auf Insulin hin.
2. Es ist ja nicht so, daß du nur beim Sport selber weniger Insulin brauchst. Dieser Effekt zieht sich auch die Nacht über hin. Das nennt man Muskel-Auffüll-Effekt und bedeutet im wesentlichen, daß die Glykogenspeicher deiner Muskelzellen aufgezehrt sind und die Zellen das wieder ausgleichen wollen. Daher bilden sie mehr Glucosetransporter als normal =>ein Insulinmolekül kann mehr Glucosemoleküleals sonst in die Zelle schleusen.
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Offline chippy_2001

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Re: Basalratenreduktion beim Wintersport
« Antwort #5 am: Februar 10, 2009, 13:02 »
Hallo,

ich freue mich immer, dass ich beim Skifahren pro Tag ein paar Schokoriegel und Gummibärchen mehr essen darf. ;-)

Wenn ich dann nach 1-2 Tagen weiß, wohin der Hase läuft, reduziere ich den Bolus.

Nachdem die Schlepplifte ja am aussterben sind, kann man auch prima im Sessellift messen. Denn das mache ich beim Skifahren deutlich häufiger als sonst.

Gruß

chippy

Offline Trüffel

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Re: Basalratenreduktion beim Wintersport
« Antwort #6 am: Februar 10, 2009, 14:02 »
@Jörg: Woher weiß man, wann der Muskelauffülleffekt auftritt oder einsetzt. Bzw. läßt sich das irgendwie feststellen?  :kratz:
Gibt es da irgendwelche Anhaltspunkte, auf die man zurückgreifen kann?

Mein Diabetologe meinte neulich, man müßte sich schon sehr verausgabt haben, daß der Effekt eintritt.
Ich habe da andere Erfahrungen gemacht, weiß sie aber aufgrund seiner Aussage nicht mehr so recht einzuordnen. Für mich war das stets der Muskelauffülleffekt.
Wenn Fleisch und Wurstwaren bei uns mittlerweile billiger angeboten werden als Hundefutter,
muss man sich schon fast nicht mehr wundern, dass man für den Preis auch Hundefutter bekommt.  Adi Sprinkart

Offline klausing

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Re: Basalratenreduktion beim Wintersport
« Antwort #7 am: Februar 10, 2009, 14:24 »
Meist merkt man das daran, dass die Werte morgens niedriger sind als sonst. (bei gleichem Essverhalten vorausgesetzt)
Dein BZ sinkt dann über Nacht.
Dein Diabetologe  hat in so fern Recht, dass dies bei mir immer erst aufgetreten ist, wenn ich oberhalb 2 Stunden intensiv MTB gefahren bin. Vorher merke ich das nicht.

Allerdings bin ich mir nicht sicher wie man erhöhte Insulinempfindlichkeit und das Muskelauffüllen bei der Basalrate unterscheiden kann.

Offline Andreas

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Re: Basalratenreduktion beim Wintersport
« Antwort #8 am: Februar 10, 2009, 17:10 »
Mein Arzt meinte einmal, dass man Lantus auch splitten könnte und im 12 h Abstand die Dosierung verteilt. !?!?
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Das löst das Problem nicht: Problematisch bleibt weiterhin die lange (übertrieben formuliert: unkontrollierbare) Wirkdauer, die keine individuelle, belastungsabhängige Steuerung erlaubt, und die schnellere Resorbtion bei sportlicher Aktivität ...

Andreas, jetzt definiere bitte noch "INTENSIVER Sport" !
Ein Tag, also ca. 6 Stunden am Stück Snowboarden oder Skifahren ist für mich schon intensiv ... :-)

Lieben Gruß, Andreas
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Offline zaqueline

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Re: Basalratenreduktion beim Wintersport
« Antwort #9 am: März 24, 2009, 17:34 »
Hallo zusammen,

nun bin ich zurück mit meinem Bericht aus dem 1. Snowboardurlaub mit meinem nun neuen, ständigen Begleiter namens DM.

Vorweg: dieser Urlaub war leider nicht so entspannt, wie die Jahre zuvor ohne meinen DM.
Schön, wenn man einen Begleiter hat, aber wenn er nicht so mitspielt, wie geplant, dann kann er schon ganz schön die Stimmung drücken.
Nunja...

Also, die Basalrate habe ich nicht verändert.
Ich habe am ersten Skitag, nach einem ausgiebigen Frühstück und super Werten nach 2 Stunden zum Start in den Schnee richtig gute Laune gehabt.
Nach weiteren 2,5 Stunden "Bergrunterflitzen" lag mein BZ dann auf einmal bei über 300 !
Das habe ich dann korrigiert.
Zum Mittag dann genaue (!) 3 BE's mit dem entsprechenden Faktor Insulin abgedeckt. Anschliessend wieder gute Werte für den Rest des Tages gehabt.

2. Tag
Morgens mit BZ 249 aufgewacht.
Im Tagesverlauf ähnliches Spiel wie zuvor, wieder erhöhte Werte zum Mittag, trotz gewogenem (!) Frühstück.
Wieder Korrektur und restlicher akzeptabler Tagesverlauf bezüglich BZ.

3. Tag
dito

4. Tag
dito nur noch extremer, da 3x korrekturgespritzt
Spitzenwert mittags bei 278

5.Tag
keine Boarden möglich, da Nebelsuppe auf dem Berg.
Generell hohe Werte zwischen 124 und 217 über den gesamten Tag verteilt.
5x korrekturgespritzt (zusätzlich zu den eigentlichen Mahlzeiten)

6. Tag
Werte zwischen 72 und 176
solala ...

Fakt: morgens immer mit zu hohen Werten aufgewacht - könnte durch nächtliche leichte Unterzuckerungen hervorgerufen worden sein.
Jedoch hat mich mein hoher Bolusanteil tags von einer Minderung abgehalten.
Daher war mein Vorgehen, lieber mit etwas höheren Werten um die 140-160mg schlafen zu gehen.
(normalerweise: 110-120mg)
Keine Besserung. :-(

Jetzt bin ich ein wenig ratlos, wie ich den nächsten Schneeurlaub angehe.
So ein klein wenig hat es mir schon die Lust auf Schnee geraubt.
Der Tipp mit dem Messen im Skilift war jedoch prima !  :super:

Vielleicht habe ich im nächsten Jahr aber auch schlichtweg mehr Routine und Gelassenheit was meinen DM betrifft.
Ich denke ja gern positiv !

Herzliche Grüße,
zaqueline
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