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Im Krankenhaus...

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Trüffel:
Vorabinfo: Mein Mann und ich haben beide seit über 40 Jahren Typ 1 Diabetes und seit 25 Jahren eine Pumpe.

Nun zum aktuellen Vorfall. Letzten Sonntag hatte mein Mann eine schwere Hypo. Er war duschen (Pumpe abgekoppelt) und rief nach mir. Ich eilte mit TZ, Glucagon-Nasenspray und Messgerät ins Bad. Er aß, BZ war 50 mg/dl und ich drückte ihm das Glucagon-Nasenspray in die Nase, aber er fing zu krampfen an. Ich kenne das Prozedere und machte mir keine großen Gedanken. Dann jedoch kam ein erneuter Krampfanfall bei einem BZ von 180 mg/dl. Nach Rücksprache mit meinem Diabetologen (gut, wenn man eine Notfallnummer hat) rief ich die 112 und er krampfte noch mehrere Male. Er kam auf die Stroke Unit und es geht ihm inzwischen wieder deutlich besser. Es ist wieder ansprechbar und sein Verstand klart auf. Alle Untersuchungen sind bislang ohne Auffälligkeiten. Die Lungenentzündung, die er aufgrund der Krampfanfälle bekommen hat, wird mit Antibiotika behandelt. Soweit so gut.
Sein Diabetesmangement konnte er bisher leider noch nicht selbst in die Hand nehmen. Pumpe und Sensor sind ab. Den BZ macht das Personal 4-5 mal am Tag.

Leider ist die Diabetesversorgung nett ausgedrückt unterirdisch. Zur Erinnerung: Seit Sonntag 9 Uhr hatte er keinerlei basale Versorgung (Typ 1 Diabetes!).
Im Krankenhaus wurde zu festgelegten Zeiten BZ gemessen und mit Actrapid (Altinsulin) korrigiert. Das waren um die 10 Einheiten. Auf meine Frage, ob er Basalinsulin bekäme, antwortete mir das Personal unisono er bekäme Actrapid nach Spritzplan der Diabetologie. Das heißt, es wird 4-5 mal täglich BZ gemessen und je nach Höhe korrigiert.

Am Mittwoch Abend hakte ich erneut wegen Basalinsulin nach und auch der Pfleger im neuen Zimmer schien sich mit Diabetes auszukennen und war meiner Meinung, dass das ja nicht sein kann und holte den Arzt. Dieser wollte mich beruhigen, dass man ja den BZ nach Plan korrigierte -blablabla- er ab jetzt aber auch Basal bekäme und brachte einen zweiten Pen.
Nachdem die Werte noch nicht zufriedenstellend waren, wurde die Tresibadosis von 18 auf 20 Einheiten erhöht. Basalversorgung läuft also.

Nur bekommt er keinen Essensbolus. Essensmengen sind seit Beginn morgens 3,5 BE, mittags 6,5 BE und abends 2,5 BE. Er hat einen Bärenhunger und isst alles auf.
Regelmäßig sind die Werte am Nachmittag dann bei bis zu über 500 mg/dl. Kein Wunder, wenn man mittags 6,5 BE ohne Bolus reinschaufelt, dann hätte ich das auch.

Leute, wir schreiben das Jahr 2023. Typ 1 Diabetiker bekommen tagelang kein Basalinsulin, keinen Essensbolus und einen Insulinplan, der das Papier nicht wert ist. Und das bei einer Lungenentzündung und einem geschwächten Allgemeinzustand, bei der der Körper Schwerstarbeit leisten muss.


Ich weiß, dass hier eine Diskussion zu nichts führen wird aber wollte mir das von der Seele schreiben.


Viele Grüße
Petra

Gyuri:
Auch nicht als Diskussionsgrundlage gedacht, eher als Trost, dass es wo anders auch so zu gehen kann.  :knuddel:
Vor allem drücke ich deinem Mann primär alle mir zur Verfügung stehenden Daumen.

Ich glaube, so eine Diabetes-"Versorgung" im kranken Haus ist keine Seltenheit.

Es mag ja sein, dass es auch Diabetesspezialisten gäbe … die kommen aber oft nicht zum Zug.
Ich weiß nicht, warum das so ist. Vermuten tu ich, dass es die "normalen" Stationsärzte und das "normale" Pflegepersonal nur einen begrenzten Zugang zu Spezialisten im Haus haben und/oder dass die Fachleute sich vor Arbeit nicht mehr retten können.

So einen ähnlichen Fall wie diesen hatte ich (wenn auch in weniger drastischen Form) mit meinem Vater erlebt, der vom Notarzt nach fünftägiger Hilflosigkeit auf dem Fußboden liegend gerettet wurde.
Diabetes war bei ihm aber ursprünglich nicht das große Problem. Er war Typ2 und hat sich selbst stets sehr gut eingestellt. Weil sein HbA1c um die 5% lag (das war bei ihm immer so) meinten die Ärzte, man sollte Insulin ganz absetzen und "laufend" (zwei drei mal vor dem Essen) den Blutzucker überprüfen, dass ja kein Hypo entstünde.  :balla:
Für ihn sehr hohe Nüchternwerte von 200mg/dL und mehr wurden als "gut so  :super: " festgestellt und auch so protokolliert. Er nahm es angesichts seiner anderen gesundheitlichen Probleme gelassen und kam dann nachdem er wieder entlassen war schnell wieder in seine gewohnt guten Bahnen.

Und einen zweiten Fall weiß ich auch noch, hatte aber ursprünglich nichts mit Diabetes zu tun. Meine Frau (Typ2) wurde mit einem schlimmen Schlaganfall ins Krankenhaus eingeliefert. Der Notarzt diagnostizierte aber "Drogenmissbrauch" und es wurde zwei Tage lang nichts gegen den Schlaganfall unternommen.  :kreisch: Nur das Diabetes-Management war dort i.O. … bis sie auf Reha geschickt wurde. In der Klinik gaben alle Fachkräfte damit an, dass in ihrem Haus der Professor Dr.Dr. [xxx] sei, eine weit geschätzte Diabetes-Koryphäe. Dies wurde mir immer wieder gesagt, wenn ich an dem Diabetesmanagement etwas auszusetzen hatte. Man täte das Beste, was man tun kann. Dieser Prof. hat meine Frau nie gesehen. Und so wurde meine Frau nach über vier Wochen Aufenthalt in der Reha mit ganz lausigen Werten und einem lausigen Spritzschema heim geschickt. Das schlimme war, dass dann die neue Diabetologin meiner Frau eine sehr ausgeprägte Hochachtung zu dem Professor hegte (obwohl der sicher nicht viel mit dem Schema zu tun hatte) und verlangte, genau so weiter zu machen … Na ja, wir wechselten dann den Diabetologen und es wurde besser.

An mindestens "unseren" drei Beispielen kann man doch erkennen, dass es mit der Umsetzung in Krankenhäusern von geeigneten Maßnahmen bei Diabetespatienten noch ein gewaltiges Defizit gibt.

Ich habe mich schon in Krankenhäusern sehr unbeliebt gemacht, weil ich schon in der Aufnahme immer verlange: Finger weg von meinem Diabetes-Management! Wenn man da nicht hart bleibt, ist man dem oft krankenden Ablauf im Haus hilflos ausgesetzt.

Trüffel:
Gestern meinte die Schwester, dass im Spritzplan wohl der Essensbolus vergessen worden sei. Ihr Kollege sagte ihr, er hätte immer etwas fürs Essen dazu gegeben.
Die spritzen wie ich zu Hause - nach Gefühl.  ;D

Mit der Diabetologie arbeiten sie schon zusammen, es war am 2. Tag eine Diabetologin da, mit der ich länger gesprochen hatte, aber nicht über den Diabetes sondern über Markus.

Es kann ja wirklich mal vorkommen, dass Menschen wirklich etwas vergessen.
Seien wir doch ehrlich. Global betrachtet leben wir doch im medizinischen Schlaraffenland. Unsere Ansprüche sind sehr hoch.


Viele Grüße
Petra



Joerg Moeller:
Hallo Petra,

erstaunlich, dass es sowas noch gibt, wenn sie eine Diabetologie im Hause haben. :staun:
Aber wie auch immer: sobald ich halbwegs wieder bis Drei zählen könnte, würde ich das wieder selbst in die Hand nehmen.
Und da kann ich dann auch recht biestig werden, wenn mir das einer wegnehmen will!

Ich hab auch neulich auf einer Stroke Unit gelegen, habe aber Pumpe und Sensor behalten. Die kamen zwar gelegentlich zum BZ messen, aber es hat dann gereicht, wenn ich ihnen meinen Sensorwert genannt habe.

Wie geht es ihm denn jetzt?

Viele Grüße
Jörg

Gyuri:

--- Zitat von: Joerg Moeller am Oktober 23, 2023, 11:57 ---[…] Die kamen zwar gelegentlich zum BZ messen, aber es hat dann gereicht, wenn ich ihnen meinen Sensorwert genannt habe.
[…]

--- Ende Zitat ---
Nach anfänglichen Zweifeln, ob ich das auch "richtig" messe, gingen sie auch meist dazu über, zu lesen was in meinem BZ-Messgerät (bzw.Handy, wenn ich einen Sensor tragen konnte) steht.
Na ja, was die mit IHREN Aufzeichnungen machen, kann mir gleich sein … so lange sie mir nicht drein reden wollen.

Es freut mich, dass ich nicht der Einzige bin, der sich im kranken Haus so "anstellt".  :zwinker:
Falls ich da mal Ärger bekommen sollte, weiß ich, dass ich doch nicht soooo falsch liege.

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