Autor Thema: Rettungsdienst und Diabetes  (Gelesen 7908 mal)

Offline Joerg Moeller

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Rettungsdienst und Diabetes
« am: Juli 05, 2017, 11:13 »
Hallo Nicole,

Wenn Du mal Humalog Patronen brauchst: mit denen könnte ich behilflich sein. Ich hab zwar eine Pumpe und fülle die regelmässig mit Humalog aus 10ml Durchstechflaschen, aber hin uns wieder brauche ich auch einen Pen zum fraktioniert spritzen. D.h. wenn eine Einzeldosis zu groß ist, dann gebe ich einen Teil mit der Pumpe und den/die anderen Teil/e mit dem Pen.

Den Grund dafür habe ich mal hier ausführlich beschrieben: http://www.diabetesinfo.de/fortgeschrittene/therapie/korrekturinsulin.html
Zusammengefasst: es gibt eine "optimale Dosis", bei der das meiste des gespritzten Insulins auch biologisch aktiv wird. Ist diese überschritten, dann wird mehr Insulin schon in der Subkutis enzymatisch abgebaut und gelangt gar nicht erst ins Blut.

Aber wo wir schonmal eine Fachfrau hier haben: wie sieht bei euch im Rettungsdienst das Procedere bei bewußtlosen Patienten aus? Wird da immer der BZ gemessen oder wie ist das geregelt?

Hintergrund der Frage: manche Diabetiker sind der Meinung, wenn sie sich irgendwo ein Tattoo "Diabetes" oder so stechen lassen (oder ein Armband mit dieser Info tragen), dann wären sie sicherer, dass im Notfall nicht untergeht, dass sie auch eine Hypoglykämie haben könnten.

Ich hab mal in der Notaufnahme gearbeitet und kenne es eigentlich nicht anders, dass uns bewußtlose Pat. immer mit allen Vitalwerten und BZ übergeben wurden. Und wir haben da auch nie nach irgendwelchen Tattoos oder Norfallbändern gesucht. Aber das ist jetzt auch schon ein paar Jahre her, könnte sich ja geändert haben.

Viele Grüße,
Jörg
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Offline Rettungshexe

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Re: Rettungsdienst und Diabetes
« Antwort #1 am: Juli 05, 2017, 14:31 »
Hallo Jörg,
Für Humalog haben wir im Schulungsraum keinen passenden Pen. Brauche Patronen von Novo Nordisk oder Sanofi. Wir haben den Echo (Spende einer langjährigen Patientin) sowie den Clikstar.
Zu Deiner Frage : bei unklarer Bewusstlosigkeit ist das Messen des Blutzuckers eine Standartmaßnahme. Das gilt übrigens bereits für jede Art von Bewusstseinstrübung. Z. B. alkoholisierte Patienten, bei denen nicht eindeutig klar ist, dass nicht noch etwas anderes dahinter steckt (also eigentlich immer). Ein Diabetikerausweis mit Hinweis auf behandelnde Ärzte bzw. auf die Insulinpflichtigkeit kann dennoch hilfreich sein... Bei bewusstlosen Patienten wird generell auch nach Personalien gesucht, dabei würde eine solche Information auffallen.
Viele Grüße
Nicole 

Offline Joerg Moeller

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Re: Rettungsdienst und Diabetes
« Antwort #2 am: Juli 06, 2017, 09:37 »
Z. B. alkoholisierte Patienten, bei denen nicht eindeutig klar ist, dass nicht noch etwas anderes dahinter steckt (also eigentlich immer).

Ja, das macht ja auch hochgradig Sinn. Auch Diabetiker geben sich manchmal die Kante und gerade bei Insulintherapie kann das zu schweren Hypos führen, weil die Leber dann so mit Entgiften beschäftigt ist, dass sie keine Glukose mehr ausschüttet. Das Insulin wirkt dann also stärker als sonst.
Ich hatte mal im Pflegedienst einen Pat., der Diabetiker und Alkoholiker war. Kollegin hatte den morgens bewußtlos aufgefunden, BZ nicht messbar und auch Rettungsdienst/Notarzt konnten ihn nicht mehr reanimieren.
Obduktion ergab dann einen BZ von 6 mg/dl.

Zitat
Ein Diabetikerausweis mit Hinweis auf behandelnde Ärzte bzw. auf die Insulinpflichtigkeit kann dennoch hilfreich sein... Bei bewusstlosen Patienten wird generell auch nach Personalien gesucht, dabei würde eine solche Information auffallen.

Ja, aber achtet ihr auch auf Armbänder, "SOS-Kapseln" oder Tattoos?

Viele Grüße,
Jörg
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Offline Quo

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Re: Rettungsdienst und Diabetes
« Antwort #3 am: Juli 06, 2017, 10:27 »
Obduktion ergab dann einen BZ von 6 mg/dl.

Aua. Nebenfrage am Rand: Wird die Restglucose im Blut nicht in der Zeit bis zur Obduktion weiter abgebaut? Gab/gibt es da dann noch Rückschlüsse, von zu welchem Punkt des Absturzes sich System "Organismus" noch wieder hochpäppeln lässt?

Liebe Grüße, Tatjana

Offline Rettungshexe

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Re: Rettungsdienst und Diabetes
« Antwort #4 am: Juli 06, 2017, 17:15 »
Hallo Tatjana, meines Wissens nach steigt der Blutzucker nach Eintritt des Todes sogar kurzfristig nochmal an, da durch den Zellverfall Zucker aus den Zellen freigesetzt wird. Erst mit fortschreitender Verwesung wird durch die Zersetzung auch der Zucker abgebaut...
Viele Grüße
Nicole

Offline Rettungshexe

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Re: Rettungsdienst und Diabetes
« Antwort #5 am: Juli 06, 2017, 17:18 »
Hi Jörg,
Tattoos würden wohl eher nicht beachtet werden, ein Armband mit entsprechender Kennzeichnung als Notfallarmband springt aber meist schon ins Auge. Spätestens wenn man auf der Suche nach einem Venenzugang die Ärmel des Patienten hochkrempelt  ;)

Offline Joerg Moeller

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Re: Rettungsdienst und Diabetes
« Antwort #6 am: Juli 07, 2017, 14:05 »
Ich weiß nicht ob die den BZ da noch irgendwie umgerechnet haben oder so. Das war jedenfalls die Info, die wir von den Kollegen im KH bekommen haben.

Und zu den Tattoos: da sollte man auch noch drauf achten sich die nicht unbedingt da stechen zu lassen, wo Mediziner auch gern Zugänge legen. Meine kleine Schwester hat eins auf dem "Rücken", und deshalb wollte der Anästhesist ihr neulich bei der Geburt meines Neffen keine PDA geben. (Dumm gelaufen)

Ich hab jedenfalls in meiner Brieftasche immer gut sichtbar meinen selbstgemachten Notfallausweis, der so aussieht:



Viele Grüße,
Jörg
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Offline Tarabas

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Re: Rettungsdienst und Diabetes
« Antwort #7 am: Juli 09, 2017, 02:47 »
Rettungshexe, wie sieht es denn mit Notfall-Anhängern am Schlüsselbund aus? Werden die gefunden?

Ich hatte übrigens vor Tagen eine Diskussion über Organspendeausweise. Da gab es - aufgrund von Berichten Bekannter - Sorge, den bei sich zu tragen, weil Rettungskräfte den vor Ort finden würden und dann ggf. ein paar Blocks Umwege fahren würden, um ... naja ... halt dafür zu sorgen, daß man nur noch als Spender im KH ankommt.

Da meinte ich dann, u.a. weil ich das hier immer las - die würden doch gar nicht nach irgendwelchen Ausweisen etc suchen vor Ort. Antwort: sie müßten das ja schon machen, um ein Protokoll anzufertigen, was der Patient bei sich hatte, was von wem war (bei mehreren Patienten) ...
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Offline Rettungshexe

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Re: Rettungsdienst und Diabetes
« Antwort #8 am: Juli 09, 2017, 12:43 »
Rettungshexe, wie sieht es denn mit Notfall-Anhängern am Schlüsselbund aus? Werden die gefunden?

Ich hatte übrigens vor Tagen eine Diskussion über Organspendeausweise. Da gab es - aufgrund von Berichten Bekannter - Sorge, den bei sich zu tragen, weil Rettungskräfte den vor Ort finden würden und dann ggf. ein paar Blocks Umwege fahren würden, um ... naja ... halt dafür zu sorgen, daß man nur noch als Spender im KH ankommt.

Da meinte ich dann, u.a. weil ich das hier immer las - die würden doch gar nicht nach irgendwelchen Ausweisen etc suchen vor Ort. Antwort: sie müßten das ja schon machen, um ein Protokoll anzufertigen, was der Patient bei sich hatte, was von wem war (bei mehreren Patienten) ...
Diese Schlüsselanhänger sehe ich skeptisch... Sie können gefunden werden, können aber auch übersehen werden, da der Schlüssel für den Rettungsdienst nicht von Belang ist und daher nicht beachtet wird. Die Ausweispapiere werden zur Identifikation jedoch gesucht und Notfallunterlagen die bei den Ausweispapieren liegen, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit gefunden. Zur Frage des Organspenderausweises: so ein Verhalten wie von Deinen Bekannten befürchtet, wäre als unterlassene Hilfeleistung mit Todesfolge strafbar (Haftstrafe möglich) und würde zudem zum sofortigen Verlust der Berufserlaubnis führen! Der Rettungsdienst ist verpflichtet, jeden Patienten nach bestem Wissen und Gewissen zu versorgen ungeachtet der Umstände oder anderer Faktoren. Die Entscheidung, ob ein Patient Organspender ist oder nicht, muss von drei Ärzten unabhängig voneinander geprüft und festgestellt werden. Diese Entscheidung steht den Mitarbeitern des Rettungsdienst gar nicht zu denn dazu haben wir nicht die nötige Qualifikation.
Ein persönliches Wort dazu sei mir gestattet : Viele  Rettungsdienstler sehen es als persönliche Niederlage an, wenn es nicht gelingt, einen Patienten lebend in die Notaufnahme zu bringen! Wir kämpfen jeden Tag um das Leben und es ist das größte Erfolgserlebnis und ein Geschenk, wenn ein Leben gerettet wird. Daher ist es undenkbar, "eine Extrarunde" zu machen, um einen Patienten vom Leben zum Tode zu befördern!
Außerdem : mit einem Toten können die Transplantationsmediziner nichts mehr anfangen, ein potentieller Organspender wird im Gegenteil am Leben erhalten, bis drei Ärzte unabhängig voneinander den Hirntod festgestellt haben, der Spender in den Operationssaal gefahren wird, eine Narkose erhält (wie jeder andere OP Patient) und die Organe entnommen werden. Erst wenn die Organe entnommen wurden, wird die Lebenserhaltung beendet, denn die Organe müssen bis zum letzten Moment mit Blut und Sauerstoff versorgt werden.
Viele Grüße
Nicole
« Letzte Änderung: Juli 09, 2017, 19:27 von Rettungshexe »

Offline Kladie

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Re: Rettungsdienst und Diabetes
« Antwort #9 am: Juli 09, 2017, 13:35 »
Potenzielle Mörder im Rettungswagen zu vermuten finde ich auch etwas weit hergeholt.

Aber auch wenn im Fall der Fälle Fehler gemacht werden ist es nicht tragischer als wenn dann später im Krankenhaus falsch behandelt wird. Und auch ich habe schon merkwürdiges im KH erlebt. Ein Rettungseinsatz war bei mir gottseidank noch nie notwendig aber ich bin guter Hoffnung in qualifizierte Hände zu kommen.